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Resignierend schloss er seine Augen. Warum musste gerade jetzt alles auf einmal auf ihn zurückregnen? Warum hatte Illúvatar sich genau diesen Moment ausgesucht? Bereits als er von der Ankunft dieser Zwerge in seinem Wald erfahren hatte, hatte er getobt und befohlen, dass sie gefangen genommen werden sollten. Als dann jedoch klar war, dass es niemand anderes als Thorin Eichenschild war, der ihm sprichwörtlich ins Netz gegangen war, hatte er einen kurzen Moment Hoffnung gespürt. Eine trügerische Hoffnung, wie sich mittlerweile herausgestellt hatte.

Er erinnerte sich noch gut an den Tag, an dem er vor so vielen Jahren dem Ruf des Zwergenkönigs nach Erebor gefolgt war. Sie wollten ihm ein Schmuckstück verkaufen, das ihn sicherlich interessieren würde. Damit hatten sie mehr als untertrieben. Dieses Schmuckstück hatte für ihn so viel bedeutet, so viel, dass er beinahe alles getan hätte, um es zurückzuerhalten, er hätte sogar einen Krieg begonnen. Seine Hände zitterten noch heute, wenn er an den Moment dachte, an dem er seine Hand nach der leuchtenden Kette ausgestreckt und der Schatzmeister der Zwerge, der nun ebenfalls in seinen Verließen saß, die Truhe zugeschlagen hatte, kurz bevor seine Finger sie erreichen konnten.

Auch Thorin Eichenschild, damals noch ein junger Zwergenprinz, war zugegen gewesen und er war erschrocken gewesen über die Kaltherzigkeit seines Großvaters. Jeder wusste, was dieses Schmuckstück war, was es wert war. Aber nicht nur das wussten sie. Sie wussten auch, welchen ideellen Wert es gerade für Thranduil und sein Volk hatte, und dennoch hatten sie sich entschieden ihm sein Eigentum vorzuenthalten.

Dieses Mal hatte der König des Düsterwaldes gehofft, dass der Enkel weiser war als der Großvater und einen Handel mit ihm eingehen würde. Doch wieder hatten die Zwerge seine Hoffnungen zerstört. Thorin Eichenschild war nicht minder arrogant und einfältig wie sein Vater oder Großvater es gewesen. Er hatte ihn, den König unter Eiche und Buche, beleidigt, einen Feigling geschimpft und auf seine Ehre gespuckt. Sollte dieser Emporkömmling und seine Sippe doch in den Verließen in den Tiefen vermodern. Wieder hatte der sonst, aus Mangel an Ereignissen, eher ruhige König getobt und einige der besten Weine vor Wut an die Wände geschmissen, aber es hatte ihm nichts genützt. Sie war dennoch nicht zu ihm zurückgekommen. Der Schmerz, etwas verloren zu haben, was ihm etwas bedeutet hatte, überschattete alles, was er sonst wahrnehmen konnte.

Erst gestern hatte er im Schlaf von ihr geträumt, von ihren gemeinsamen Jahren hier im Düsterwald. Er war noch jung gewesen, als er sie das erste Mal gesehen hatte, eingesperrt in eines der Verließe, in denen er nun seine eigenen Gefangenen hielt. Sie war eine Noldo, das hatte man ihr genau ansehen können, und wahrscheinlich hatten die Silvan-Elben sie in ihrer Gewalt gehabt, um etwas aus Lothlórien zu erhalten. Sie war gut behandelt worden, aber war dennoch gefangen gewesen.

„Ihr seid kein Waldelb“, bemerkte sie still, als der junge Prinz an ihrem Verließ vorbeiging. Er hatte sie in der Dunkelheit gar nicht gesehen. Als er sie jetzt jedoch erblickte, war er wie erstarrt. So, als läge ein lang vergessener Zauber auf ihrem Antlitz, der ihn einfach gefangen hielt.

„Nein, das bin ich gewiss nicht. Mein Name ist Thranduil, Sohn des Oropher“, stellte er sich in aller Höflichkeit, die er gelernt hatte, bei der jungen Gefangenen vor. Als sie noch einen Schritt weiter in das Licht trat, konnte er ihre langen blonden, beinahe silbernen Haare erkennen. „Ihr seid jedoch auch keine Waldelbe.“ Seine Stimme klang verwirrt und das war er auch, denn er verstand nicht, wie jemand so etwas Wundervolles wie diese Elbe einsperren konnte, noch dazu, wenn sie augenscheinlich von hoher Geburt war.

„Ihr habt einen guten Blick, mein Prinz. Ich bin Calanar, mein Vater ist Galadhon aus Doriath.“ Ihre Stimme war klar und stark und zeugte nicht von ihrer Situation. Sie war stolz, wie eine Elbe hoher Geburt nur sein konnte. „Sicherlich fragt Ihr Euch, warum ich festgehalten werde. Ich werde es Euch erklären.“ Dann berichtete sie ihm von dem Nahrungsmangel aufgrund der Verdüsterung des großen Grünwaldes, die von Dol Guldor herrührte.


Es war erstaunlich, wie gut er sich nach den unzähligen Jahrhunderten noch an die Gegebenheiten erinnern konnte, wie ihr Aussehen und ihr Liebreiz noch immer in sein Gedächtnis eingebrannt waren. Wahrscheinlich lag es aber auch daran, dass Legolas, ihr gemeinsamer Sohn, ein wahres Ebenbild seiner Mutter war. Leider hatte das in den langen Jahren jedoch auch dazu geführt, dass er den Schmerz des Verlustes nie ganz vergessen konnte, dass er seinen schrecklichen Fehler immer und immer wieder erkennen musste. Es hatte sein Verhältnis zu seinem Sohn empfindlich gestört. Doch nun war es zu spät, um es noch zu ändern.

Thranduil war sich sicher, irgendwann, wenn er noch einige hundert Jahre an Erfahrungen würde sammeln können, dann würde Legolas eine hochgeborene Elbe finden, die er ehelichen konnte, und das Fortbestehen des Düsterwaldes würde gesichert sein. Im Moment war sein Sohn jedoch leider zu sehr damit beschäftigt niederen Instinkten zu folgen, als eine erfolgreiche Vereinigung anzustreben. Er konnte nicht übersehen, welche Gefühle sein Sohn für die Kommandantin der Wache hegte, doch gutheißen konnte er das nicht. Nicht nur, dass sie nur eine Waldelbe, Nachfahrin derselben primitiven Elben, die Calanar eingesperrt hatten, war. Es gab auch noch andere Gründe, warum der König eine derartige Verbindung niemals zulassen konnte.

„Calanar ist eine weise Entscheidung“, sagte Oropher mit fester Stimme zu seinem Sohn. Thranduil war jedoch anderer Meinung. Es war nun schon mehr als 250 Jahre her, seitdem die junge Elbe aus Lórien wieder in ihre Heimat geschickt worden war, und das Leben im Düsterwald war weitergegangen. Thranduil hatte noch einige Zeit an die junge, hochgeborene Elbe gedacht, doch in 250 Jahren änderte sich vieles. Oropher hatte dafür gesorgt, dass es in den Höhlen, die die Elben als ihren Zufluchtsort gewählt hatten, freundlicher und einladender wirkte, und mit den Jahren hatten sich immer mehr der Sindar mit den Waldelben vermischt. Es waren sogar bereits einige wenige Jungelben auf die Welt gekommen, die die neue Einheit der zwei Völker besiegelten.

Für seinen Sohn wollte der stolze Sindar-König jedoch keine solche Misch-Verbindung. Sein eigenes Blut sollte rein bleiben und so hatte er mit Celeborn, König von Lórien und Bruder von Calanar, der einstigen Gefangenen, ein Abkommen getroffen. Die Verbindung zwischen Calanar und Thranduil würde besiegelt werden und neue Handelsrouten zwischen dem Grünwald und Lothlórien würden entstehen können. Oropher hatte gedacht seinem Sohn damit einen Gefallen zu tun, wusste er noch genau um Thranduils Entzücken gegenüber der hübschen Elbe.

Thranduil hatte sich jedoch bereits eine Gefährtin ausgesucht, mit der er eine Verbindung eingehen wollte: Baeriel aus dem Hause Teriel, dem ältesten Haus der Waldelben, und ehemalige Herrscher des Waldlandreiches. Baeriel war von einzigartiger Schönheit und galt mir ihren rötlichen, wallenden Haaren als wahre Exotin unter den Elben in Orophers Hallen. Ihr Temperament glich dem eines ungezähmten Pferdes und ihre Leidenschaft kannte keine Grenzen. Thranduil liebte sie, vergötterte sie gar. Seiner Meinung nach gab es keine bessere Gefährtin, keine bessere Entscheidung für eine zukünftige Königin als Baeriel. Doch eines Tages war sie wie ausgetauscht. Sie ließ ihn nicht mehr zu sich, verweigerte jeden Kontakt.  

Thranduil ahnte, dass dies das Werk seines Vaters war, jedoch konnte er nichts dagegen tun. Es machte ihn schier wahnsinnig, egal welche Lieder er sang, welche Lösungen er ihr aufzeigte, sie wollte sich nicht mehr auf ihn einlassen und gab vor, nie etwas für ihn empfunden zu haben. Wenige Jahre später erfuhr er dann, dass sie gestorben war, im Kindbett an einem gebrochenen Herzen.


Er hatte direkt geahnt, dass dieses Kind sein Kind war und hatte es von einer der königlichen Ammen aufziehen lassen, jedoch nicht als sein offizielles Kind. Diese kleine rothaarige Elbe war vielleicht das einzige gewesen, das auch ihn davon abgehalten hatte an einem gebrochenen Herzen zu sterben.

Wenn er diese immer noch junge, rothaarige Elbe nun ansah, sah er, genau wie in seinem Sohn, nur ihre Mutter, aber der Schmerz war geringer. Der Verlust Baeriels war nicht annähernd so schlimm gewesen wie der Verlust Calanars. Wahrscheinlich hätte er es damals doch ohne Tauriel geschafft nicht an einem gebrochenen Herzen zu sterben, aber er war sich sicher, dass er es nicht ohne Legolas geschafft hätte. Bis heute konnte er sich nicht verzeihen, nie ausgesprochen zu haben, was er gefühlt hatte, dass er es selbst nicht erkannt hatte.

Tief seufzend versuchte er sich in seinem Thron aufzurichten. Die Erinnerung und der Schmerz, der damit einherging, saßen so tief, dass er unbemerkt ein ganzes Stück eingesackt war. Das konnte er sich als König des Düsterwaldes jedoch nicht leisten. Nicht, wenn wieder einmal die Dunkelheit um ihn herum zunahm, wie der Ork es behauptet hatte. Er hatte es nicht sehen wollen. All die Anzeichen, die es gegeben hatte, hatte er nicht wahrnehmen wollen, aus Angst, es würde ihn an etwas erinnern, das ihn beinahe bewegungsunfähig machte. In dem Moment, in dem er gemerkt hatte, dass er das, was ihm am wichtigsten gewesen war, verloren hatte.

„Ich werde die Verbindung mit Lord Celeborns Schwester eingehen“, sagte Thranduil mit starker, dennoch leicht zögernder Stimme. Er hatte diese Elbe nun seit 250 Jahren nicht mehr gesehen, ahnte, sie würde es hassen hier zu leben, wo sie vor so vielen Jahren eingesperrt gewesen war. Wahrscheinlich hatte auch sie in Lórien bereits einen besseren Gefährten gefunden, von dem sie sich nun verabschieden musste. Sie würde also auch ihn, Thranduil, dafür hassen, dass er zugestimmt hatte. Es war ein bitterer Geschmack zu wissen, dass die Gefährtin, mit der man nun den Rest der Ewigkeit verbringen würde, einen hasste, aber keiner von ihnen konnte jetzt, da es ausgesprochen war, noch etwas daran ändern. Sie würden lernen müssen, damit umzugehen.

„Ich hatte gehofft, dass du zu Verstand kommst, mein Sohn“, sagte Oropher und ein breites Grinsen zeigte sich auf dem Gesicht des Elb. Er wollte nur das Beste für seinen Sohn und sein Volk. Und eine Verbindung mit dem Goldenen Wald war genau das. Außerdem würden die beiden Jungelben ihm eines Tages einen Enkel schenken, der seine Linie und die Herrschaft über den Grünwald sichern würde.


Das erste Treffen mit Calanar, nachdem die Verbindung bekannt gemacht worden war, war unterkühlt gewesen. Thranduil war so überzeugt gewesen, dass sie ihn hassen musste, dass er ihr direkt angeboten hatte, nach dem Vollzug der Ehe nur noch für die Öffentlichkeit ein liebendes Paar darzustellen.

Calanar hatte dies allerdings als Beleidigung aufgefasst und war aufgrund seiner Worte verletzt gewesen. Es hatte ihr da Gefühl gegeben, dass er diese Verbindung tatsächlich nur wegen der Beziehungen zu Lórien eingegangen war und nicht, weil er sich erhoffte, in den kommenden Jahren eine ehrliche Liebe zu ihr aufzubauen, so wie sie es sich wünschte.

Die Vermählung der beiden war ein Fest ohne Gleichen gewesen. Die Hallen Orophers waren gefüllt mit Freude, Lachen und Gesängen und selbst die Könige anderer Völker gaben dem neuen Paar die Ehre. Auch Bráin, König der Nebelgebirge, war anwesend gewesen und hatte der Braut ein wunderschönes Geschenk gemacht. Es war eine handgefertigte Kette aus kleinen Mithrildrähten und eingefassten, klaren Diamanten gewesen. Das Licht schien sich darin nicht zu brechen, sondern wurde von der Kette aufgenommen und ließ sie selbst leuchten wie das Sternenlicht.

„Ich werde dieses Geschenk behüten wie meinen Augapfel“, schwor Calanar mit ihrer weichen melodischen Stimme dem stolzen Zwergenkönig. Sie war keine Zwergin und um einiges größer als er, und dennoch konnte sich auch der Zwergenkönig nicht ihrer Schönheit erwehren.

„Es ist nur ein Bruchteil der Schönheit seiner Trägerin“, sagte er daher und küsste die Hand der neuen Prinzessin des Waldlandreiches. Thranduil unterhielt sich dessen unbeeindruckt mit seinem neuen Schwiegervater und dessen junger Tochter Celebrían. Für alle Elben war das Geschenk der Elternschaft das größte, denn es war selten und auch Thranduil wünschte sich, dass ihm dieses Geschenk noch einmal zuteilwerden würde und dass er es dann seinem Volk mitteilen konnte.

„Sieh doch, welche wunderschönes und königliches Geschenk uns König Bráin gemacht hat“, unterbrach Calanar das Gespräch zwischen ihrem neuen Gatten und ihrem Bruder. Die beiden Elben blickten sie an und für einen kurzen Moment meinte man etwas wie Bewunderung in den Augen des jungen Elbenprinzen zu sehen, doch es war so schnell verflogen wie es gekommen war. Sicherlich, die Geschenke, die sie bekamen, gefielen seiner Prinzessin, aber dennoch würde sie dieses eingesperrte Leben an seiner Seite hier im Grünwald hassen. Sie würde ihn dafür hassen, dass er dieser Verbindung zugestimmt hatte, und er hasste sich selbst dafür, dass er ihr dieses Schicksal aufgezwungen hatte


Wenige Jahre nach dieser Vermählung hatten Calanar und Thranduil dann die Geburt ihres ersten gemeinsamen Sohnes verkünden können: Legolas. Er war stark und schön und die Eltern stolzer als sie sein konnten. In einem kurzen Moment der Euphorie, als er seinen wunderschönen blonden Sohn das erste Mal in den Armen seiner Mutter gesehen hatte, hatte er sie sogar geküsst, obwohl die beiden ganz alleine gewesen waren. Doch er war so schnell zurück geschreckt, dass es Calanar selbst beinahe wie ein Traum vorgekommen war. Sie hatte es vor lange Zeit aufgegeben ihm zeigen zu wollen, dass sie ihn eigentlich liebte, hatte sie doch gewusst, dass er anscheinend zu sehr unter ihrer Verbindung litt.

Sie hatte sich damit abgefunden nur eine freundschaftliche Beziehung zu ihrem Ehemann zu führen, und die hatte sie. Es hatte nichts gegeben, worüber die beiden nicht hatten reden konnte, nichts, in dem sie sich nicht gegenseitig hatten helfen können, außer bei den Problemen, die sie mit dem jeweils anderen hatten. Es war ihre Pflicht gewesen, zusammen über den Grünwald zu herrschen, gemeinsam als eine Einheit, und das hatten sie so gut sie es vermochten getan. In der Zeit, in der sie gemeinsam über das Waldlandreich geherrscht hatten, waren die Hallen von Musik und Fröhlichkeit gefüllt. Zumindest bis die Dunkelheit weiter vorgerückt war.

„Ich werde selbst nach Lórien reisen und meinem Bruder von dem Bösen berichten, das sich in Dol Guldur eingenistet hat“, sagte Calanar bestimmt, als sie von ihrem Thron aufstand. Die silberne Kette, das Geschenk eines mittlerweile lang verstorbenen Zwergenkönigs, schimmerte wie ein Sternenschauer an ihrem Hals und Thranduil fühlte sich für einen kurzen Moment wieder zu seiner Hochzeit zurückversetzt.

Sie war schon so lange her und mit so vielen schmerzlichen Erinnerungen verbunden, dass er es beinahe vergessen hatte. In den letzten Jahrhunderten war die Beziehung zu seiner Gemahlin zu etwas anderem gewachsen als purem Pflichtbewusstsein. Er empfand ihre Anwesenheit als angenehm, war dankbar für das Ohr und die ehrliche Meinung, die sie ihm schenkte, wann immer er es brauchte. Doch die Schuldgefühle, sie von ihrer Heimat, wohlmöglich von einem geliebten Gefährten, fortgerissen zu haben, saßen immer noch so tief in ihm, dass er nicht glauben konnte, dass zwischen ihm und seiner wunderschönen Frau mehr war als ehrliche und tiefe Freundschaft. Doch selbst wenn es nur Freundschaft war, er wollte sie nicht gehen lassen, konnte nicht zulassen, dass sie diesen Weg bestritt. Dazu war er viel zu gefährlich.

„Du scheinst nicht glücklich über meine Entscheidung zu sein.“ Sie sah ihn eindringlich an und wieder einmal war er erstaunt darüber, wie jung sie doch immer noch aussah. Hätte er es nicht besser gewusst, er hätte sie wahrscheinlich für eine Jungelbe gehalten, die noch nicht zur Frau erblüht war. Doch sie hatte ihm bereits einen Sohn geschenkt und wenn Illúvatar ihnen gnädig war, dann würde sie vielleicht noch einmal ein Kind für ihn gebären.

„Wir sollten jemand schicken, einen Boten. Es ist zu gefährlich“, sagte Thranduil und versuchte sie am Arm festzuhalten. Calanar hielt in ihrem grazilen aber bestimmten Gang inne. Sie blickte verstohlen auf die zarte Hand auf ihrem Oberarm. Sie war mit einigen Ringen geschmückt und wäre sie nicht so groß gewesen, hätte sie auch einer Elbe gehören können. Für einen kurzen Moment bildete sie sich ein so etwas wie Liebe zu spüren, die von dieser Hand in ihren Körper überging, doch wie schon so oft war dieser Moment schneller verschwunden als er gekommen war.

„Warum sollte ich nicht gehen?“, fragte sie daher und drehte sich zu ihm um. Hoffnung keimte in ihre auf, dass er sie nicht gehen lassen wollte, weil er sie nicht verlieren wollte, weil er endlich eingesehen hatte, dass sie seinen Hass für sich selbst nicht teilte und auch nicht verstand. Und vielleicht tat er das sogar in gewisser Weise, zumindest bildete er sich ein, es auch in ihren Augen sehen zu können. Eine Hoffnung und eine stille Bitte, aber sein eigener Hass auf sich selbst blendete ihn und ließ ihn vergessen, was sein Herz eigentlich wollte.

„Weil es nicht die Aufgabe von Königinnen ist, Botschaften weiterzutragen. Dafür gibt es Boten. Ich werde Tauriel schicken lassen“, antwortete er und anscheinend war das nicht die Antwort gewesen, die sie hatte hören wollen.

Tauriel… Sie hatte lange genug mitbekommen, wie sehr ihr Gemahl diese Wache gegenüber den anderen in ihrem alter bevorzugte. Sie war eine Exotin, wilder und ungezähmter als alle anderen Waldelben. Sie hatte ihren eigenen Kopf und das schien Thranduil zu gefallen. Doch noch mehr schmerzte es sie, dass er sie wieder einmal zurückwies, dass ihre Hoffnung ein weiteres Mal zerstört wurde. Doch dieses Mal konnte sie sich nicht mehr zügeln. Dieses Mal wollte sie nicht im Stillen leiden.

„Und genau deswegen werde ich gehen. Der Hass, den du dir selbst entgegenbringst, den du von mir erwartest, blendet dich für das, was ich tatsächlich für dich fühle. Ich hatte gehofft, du willst, dass ich bleibe, weil du endlich gemerkt hast, dass du der einzige bist, der dich hasst, dass du meine Liebe für dich endlich erkannt hast. Aber wenn du das nicht kannst, dann bin ich genau die Richtige, um nach Lórien zu gehen“, sagte sie mit einer verletzten Stimme und dann war sie weg. Sie ging einfach davon und er wagte es nicht, sie noch einmal zurückzuhalten.


Die Worte, die sie gesagt hatte, verfolgten ihn heute noch manches Mal, wenn er vor den Toren der Hallen stand, wenn er seinen Sohn sah.  Keiner von den beiden, weder König noch Königin, hatte es in den Jahrhunderten, die sie gemeinsam verbracht hatten, je wirklich ausgesprochen, aber anscheinend war das, was zwischen ihnen gewesen, war doch mehr gewesen, als Thranduil es sich hatte eingestehen wollen. Aus der arrangierten Verbindung war etwas anderes geworden, eine tiefe Verbundenheit und ein unerschütterliches Vertrauen.

Wahrscheinlich war das die reinste Form der Liebe gewesen und deshalb hatte Thranduil es zu spät erkannt. Seine erste Liebe war eine Liebe des Körpers gewesen, gesteuert von Instinkten und Lust. Die Liebe zu Calanar war eine des Geistes gewesen, und als sie verschwunden war, hatte es sich so angefühlt, als sei auch ein Teil von ihm verschwunden. Für über 500 Jahre hatten sie jeden Tag neben dem anderen gelebt, miteinander geredet, und als sie abgereist war, hatte er bemerkt, wie sehr er sie vermisste.

Über die Worte, die sie ihm entgegen geschleudert hatte, hatte er ebenfalls jeden einzelnen Tag nachgedacht, und er hatte bemerkt, dass sie die Wahrheit gesprochen hatte. Sie hatte ihn schon immer geliebt, hatte zu Beginn oft versucht es ihm klar zu machen, ihm zu zeigen, dass ihn niemand hasste und dass auch er selbst sich nicht hassen musste. Sie hatte ihn geliebt und er war zu feige gewesen es sich einzugestehen. Aber als er es endlich in ihrer Abwesenheit erkannt hatte, hatte er sich geschworen diese Tatsache zu ändern, sobald die wieder zu ihm zurückgekehrt war. Er hatte sich geschworen, die Liebe, die er für sie empfunden hatte, freizulassen, es ihr zu zeigen.

„Mein Herr.“ Die Stimme seiner Tochter, von der sie nicht einmal selbst wusste, dass sie es war, klang leer, als sie mit gesengtem Kopf vor seinen Thron trat. Gerade hatte die Amme den Thronsaal mit seinem Sohn verlassen, der nun alt genug war, um selbst die ersten Worte zu sprechen, doch sein Geist redete oft noch schneller als sein Mund. Thranduil fragte sich, wieso Tauriel so lange im Schatten gewartet hatte, bis Legolas zu Bett gebracht wurde.

„Was gibt es, Tauriel?“, fragte er und winkte sie näher an seinen Thron. Es tat ihm in gewisser Weise leid, dass ihr nie die Liebe zuteilgeworden war, wie sie ihrem Halbbruder zukam, aber ohne einen großen Skandal ließ sich das nicht ändern.

„Ein Bote aus dem Nebelgebirge erreichte uns vor wenigen Stunden.“

„Mit welcher Botschaft?“ Er war durchaus verwundert darüber, denn es gab eigentlich keinen Grund für die Zwerge, einen Boten in den Grünwald zu entsenden. Die Handelsabkommen waren noch gültig und keine Vermählung oder ähnliches stand an.

„Es geht um Eure Gemahlin“, sagte die junge Elbe vorsichtig und alleine an ihrem Zögern merkte er, dass irgendetwas nicht stimmte. Mit einer Bewegung seiner Hand ließ er sie weiterreden. „Die Zwerge haben den Konvoi der Prinzessin vor Sonnenaufgang bei einer ihrer Patroullien gefunden. Die Pferde waren verschwunden, alle Wachen getötet.“ Thranduil musste sich beherrschen nicht von seinem Thron aufzuspringen. Als sein Vater dieses Postens überdrüssig geworden war, hatte Thranduil sich geschworen, ähnlich kontrolliert aufzutreten wie Oropher.

„Was ist mit der Königin?“ Er legte sich in diesem Moment selbst den Eid auf, jedem einzelnen Ork eigenhändig den Kopf abzuschlagen, wenn sie seiner Königin auch nur ein Haar gekrümmt hatten. Er würde sie verfolgen und niedertrampeln wie ein Hirsch das Gras niedertrampelte.

„Als sie gefunden wurde lebte sie noch, doch ihr Herz war zu schwach“, sprach Tauriel weiter und ihre Stimme erstarb fast, zusammen mit allem anderen, was er wahrnehmen konnte. Es war, als würde jemand den Saal um ihn herum in unendliche Länge ziehen, als entrisse man ihm einfach alles, was ihn ausmachte. „Ihre letzten Worte waren an Euch gerichtet, dass sie Euch immer liebte.“ Tauriels Worte hallten in seinem Kopf wider wie das Echo in Mitten einer Bergkette.


Der Schrei, den er ausgestoßen hatte, war so laut und so erfüllt von Schmerz gewesen, dass der gesamte Grünwald darunter gezittert hatte, aber Thranduil war bewegungsunfähig geblieben. Es war seine Schuld gewesen, dass sie gegangen war, seine Schuld, dass sie nie erfahren hatte, dass er sie tief in seinem Inneren doch geliebt hatte, dass er den Tag nicht mehr hatte erwarten können, an dem sie zu ihm zurückkehren würde.

Der Grünwald verwandelte sich in den Düsterwald, denn eine gewisse Finsternis hatte nun auch der Herz des Königs ergriffen. Und er verschloss sich und sein Volk vor dem Leid und dem Elend der Welt und auch sein Vater Oropher, der alte König, konnte seinen Sohn nicht davon abhalten, den Düsterwald vor allem abzuschirmen, was nicht zu seinem Volk gehörte. Niemand sollte jemals wieder ungebeten und ungestraft in den Düsterwald eintreten. Mit Calanar war seine Stimme der Vernunft, seine Warmherzigkeit, die ihn von seinem Vater unterschieden hatte, verschwunden und seit diesem Tag hatte er nur noch das Dunkle und Schlechte in allem gesehen.

Staring at the bottom of your glass
Hoping one day you'll make a dream last
But dreams come slow and they go so fast
You see her when you close your eyes
Maybe one day you'll understand why
Everything you touch surely dies

Staring at the ceiling in the dark
Same old empty feeling in your heart
'Cause love comes slow and it goes so fast
Well you see her when you fall asleep
But never to touch and never to keep
'Cause you loved her too much and you dive too deep

Well you only need the light when it's burning low
Only miss the sun when it starts to snow
Only know you love her when you let her go
Only know you've been high when you're feeling low
Only hate the road when you're missing home
Only know you love her when you let her go
And you let her go

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